Die Wucht der Wertschätzung

Kennen Sie das? Sie haben sich den A…. aufgerissen für ein Projekt: An x Abenden haben Sie Ihren Partner vertröstet, Joggingverabredungen mit sich verschoben, statt Mittagessen ein Brötchen am Computer verdrückt oder am Sonntagmorgen, während die Kinder noch schliefen, schnell noch eine Mail verschickt. Und was Sie dann vom Projektleiter hören, ist: „Gut gemacht!“ oder „Super, wie Sie das hingekriegt haben!“ oder „Sie haben’s drauf!“. Oder ein einfaches „Weiter so!“ Monate später beim jährlichen Mitarbeitergespräch. (Den schlimmsten Fall, wo Sie gar nichts hören, lasse ich außen vor.)

 

Vielleicht sagen Sie jetzt: „Ja und? Ist doch ok…? Was wäre die Alternative?“

 

Bevor wir dazu kommen, erst mal die Frage: Reicht Ihnen das? Was löst es in Ihnen aus, wenn Sie gelobt werden? Ich habe mich über Jahre gefragt, warum bei mir immer ein schaler Nachgeschmack übrig blieb, eine stille Enttäuschung, wenn ich auf diese Weise bewertet wurde. Manchmal blieb sogar fast so ein kleiner Stinkefinger in der Hosentasche zurück…


Der Grund: Wenn jemand mein Tun bewertet – wie oben in den Zitaten – dann verschiebt sich automatisch die Augenhöhe: Da ist einer, der mir sagt, was er über meine Leistung denkt. Heute hat’s ihm gefallen. Morgen findet er sie vielleicht völlig daneben. Das ist eine nahtlose Weiterführung dessen, was wir schon von der Schule kennen: Wir tun etwas, und vorne steht einer, der sagt, ob das gut ist oder nicht, mit ein paar Abstufungen dazwischen. Wie gut kann eine Bewertung in Standardmanier würdigen, wer wir tatsächlich sind, was unser ganz eigener Wert ist und in welcher Einzigartigkeit wir Dinge tun? Nicht besonders gut, meine ich.

 

Loben ist eine Minimalversion von Wertschätzung. Ungefähr so als würde man sagen: warum im Teich schwimmen, wenn ich in den Ozean springen kann?

Wertschätzung in Worten - auf Augenhöhe


Wie können Sie jemandem verbal Ihre Anerkennung ausdrücken, ohne sich über ihn zu erheben? Die gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg gibt Ihnen in vier Schritten konkretes Handwerkszeug an die Hand. Wir bleiben bei obigem Beispiel: Stellen Sie sich also vor, Sie sind derjenige, der in den letzten Wochen richtig geklotzt hat und der danach zum vereinbarten Zeitpunkt ein Projektergebnis abgeliefert hat, das bei 110% lag. Und stellen Sie sich vor, der Projektleiter holt Sie lächelnd  in sein Büro, schließt die Tür, klappt den Laptop zu und schaut Ihnen in die Augen:

 

  1. Ich möchte Ihnen sagen, was Ihre Arbeit der letzten Wochen für mich bedeutet hat. Bei den Projektbesprechungen ist mir aufgefallen, dass Sie mit Ihren Meilensteinen so gut wie immer im Zeitlimit waren – und am Ende liegen Sie sogar noch 10 % überm Soll. Und das bei Bedingungen, die wahrlich nicht immer ideal waren. Wenn’s was zu korrigieren gab, haben Sie’s gelassen aufgenommen und umgesetzt. Ich habe auch mehrmals erlebt, wie Sie hier noch Meetings nachbereitet haben, während andere schon längst daheim waren. Und letzten Montag haben Sie mit Ihrem Abschlussbericht ziemlich viel Aufmerksamkeit im Team bekommen. Da hätte man eine Nadel fallen hören."
    (Was hat jemand konkret gemacht? Beobachtung!)

  2. Mich hat das immer wieder gefreut, Sie zu erleben. Und auch echt entlastet… Und ich bin stolz, dass Sie in meinem Team sind….. Letzte Woche habe ich richtig mit Ihnen angegeben bei einem Kollegen."
    (Was hat das in mir ausgelöst? Gefühle!)

  3. Weil, ich durch Ihren Beitrag deutlich ruhiger schlafen konnte. Sie wissen ja, wie wichtig es mir ist, mich auf Vereinbarungen verlassen zu können und dass jeder im Team Verantwortung übernimmt. Und bei Ihnen ist mein Vertrauen diesbezüglich einfach riesengroß. Sie hatten die schwierigsten Kameraden in der Produktion – und Sie haben’s mit Ihrer Art geschafft, dass die auch geliefert haben. Ich glaube, da kann ich noch was von Ihnen lernen, was Kommunikation anbelangt…Ich hab richtig gemerkt, wie das ganze Team an Anerkennung gewonnen hat von außen durch Ihr Teilprojekt. Und Ihre Energie, mit der Sie an Sachen rangehen, ist echt ansteckend. Habe den Eindruck, dass wir dadurch diesen großen Brocken Arbeit leichter nehmen konnten."
    (Welche Bedürfnisse haben sich durch dieses Tun bei mir erfüllt?)

  4. "Ja, und dafür bin ich Ihnen echt dankbar! Sogar von Herzen."
    (Danke!)

Ganz schöne Wucht, oder?

Das kann man nicht einfach mal zwischen Tür und Angel mit einem Daumen nach oben ausdrücken… Was ist der Unterschied? In den vier Schritten sprechen Sie über sich und wie jemand Bedürfnisse erfüllt hat, die Ihnen wichtig sind. Im Grunde zeigen Sie jemandem, wie derjenige durch sein Tun Ihr Leben verschönert hat. Sowas schafft Verbundenheit, Vertrauen und gegenseitigen Respekt.

 

Wenn diese Art der Wertschätzung bei Ihnen auch Unwohlsein hervorgerufen hat - zum Beispiel, weil solche Worte Sie total verlegen machen würden. Dann wissen Sie, dass Sie in sich einen Teil haben, der gar nicht daran glaubt, dass Sie so viel Wert sein könnten. Und wenn Ihr Unwohlsein daher rührt, dass Sie völlig empört reagieren im Sinne von: Geht’s noch?! Der Typ bekommt jeden Monat sein Gehalt. Was er/sie getan hat, ist ja wohl einfach nur selbstverständlich… Dann haben Sie wahrscheinlich einen Teil in sich, der ein richtig harter Knochen ist, an dem nicht nur Sie sich die Zähne ausbeißen.

 

Wertschätzung geben und annehmen, sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Medaille hat was mit Selbstliebe zu tun. Und die hat viel Einfluss darauf, wie wirksam Sie tatsächlich in Ihrer Arbeit sind.

 

Herzliche Grüße

Ihre Monika Merkle

 

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